Flanke, Schuss, Tor! - und der Heilige Geist

Zwei blinde Zwillingsschwestern dürfen nach einigem Hin und Her eine konfessionelle Regelschule besuchen, schneiden als Klassenbeste ab und werden mit einem Preis geehrt - und mit ihnen ihre ganze Klasse. Diese schöne Geschichte erzählte etwas ausführlicher unser Weihbischof in seiner Pfingspredigt als Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes.

Eine ähnliche Geschichte aus meinem Bekanntenkreis: Zwei hörgeschädigte Brüder besuchen ebenfalls nicht das zuständige Spezialinternat sondern die jeweils ihrem Alter ensprechende Regelschule. Der ältere geht bereits auf ein ebenfalls konfessionell geführtes Gymnasium und wurde letzten Sommer aufgrund seiner Zensuren für die Begabtenförderung vorschlagen (die er ablehnte, weil er "keinen Bock auf lauter Streber in der Klasse" hatte.). Der jüngere macht ständig Unsinn in der Grundschule, weil er immer viel zu schnell mit seinen Aufgaben fertig ist. Den sehr erfolgreichen Schulbesuch der beiden hat noch nie jemand auf ein außergewöhnliches Wirken des Heiligen Geistes geschoben, und ich wäre ohne diese Pfingstpredigt sicher auch niemals auf die Idee gekommen. Ist es doch die Leistung der beiden Jungs und ihrer Eltern, in diesem Fall vor allem der Mutter, dass sie so gut in der Welt zurecht kommen.

Das Wehen des Heiligen Geistes spüre ich eher bei folgender Äußerung: Die Familie erwartet zur Zeit ihr drittes Kind, dass es wieder ein Junge ist, wissen sie schon. Die erste Reaktion der Brüder auf die überraschende Nachricht: "Sobald er laufen kann, muss er sofort mit uns Fußball spielen, sonst kann er gleich gehen!" Flanke, Schuss, Tor! Was spielt es da für eine Rolle, ob auch er vielleicht hörgeschädigt ist oder welche Schulnoten er mal bekommen wird?


Martina

La clemenza di Tito

Zur Krönung Leopolds II. von Böhmen komponierte Mozart eine Oper, in der sich alles um die Milde ("clemenza") des römischen Kaisers Titus dreht. Nicht, dass es irgendwelche historischen Hinweise dafür gäbe, dass Titus ein besonders milder Regent gewesen sei. Diese Großzügigkeit in Bezug auf historische Fakten hatte ein ganz anderen Hintergrund: Eine solche Oper - ausgerechnet zu einer Königskrönung komponiert - sollte das Idealbild eines Herrschers herausstellen und dem frisch gebackenen König als Ansporn dienen. (Wie sich Leopold als Herrscher Böhmens schlug, ist mir leider nicht bekannt.) Kein Wunder also, dass diese Mozart-Oper zu den meist gespielten im 19. Jahrhundert gehörte und im 20. Jahrhundert von den Spielplänen der Opernhäuser wieder verschwand.



Vor einer Woche durfte ich eine Aufführung dieses Werkes mehr oder weniger zufällig besuchen. Ich weilte für ein paar Tage in New York und es war die einzige Gelegenheit, mal wieder in die Met zu kommen. Ohne große Erwartungen genoss ich die schöne Inszenierung und lauschte dem Fortgang der Geschichte, als sie mich völlig unvermittelt packte. Dabei war es nicht etwa Titos Großherzigkeit, die mich in ihren Bann schlug. Als Ideal für menschliches Handeln konnte ich mich mit ihr jederzeit identifizieren (ohne damit sagen zu wollen, dass ich ein besonders guter Mensch sei).


Titos Freund Sesto, der zum Verräter geworden war und einen Anschlag auf seinen kaiserlichen Freund durchgeführt hatte, bewegte mich viel mehr. Nicht sein Freundesverrat aus Liebe zu einer Frau, die ihn als Werkzeug für ihren Rachefeldzug missbrauchte, nein. Nachdem die Verschwörung aufgeflogen war, kann sich Tito nach einigen dramatischen inneren Kämpfen dazu entschließen Sesto voll und ganz zu verzeihen. Doch Sesto bettelt geradezu um seine gerechte Bestrafung, weil er mit dieser Schuld nicht weiterleben kann.


In diesen Konflikt konnte ich mich sehr gut hinein versetzen: Mir fällt es wesentlich leichter anderen zu verzeihen als mir selbst. Doch genau an diesem Punkt wird Erlösung konkret. Wenn uns Jesus Christus ganz und vollkommen durch seinen Tod und seine Auferstehung erlöst hat, dann ist das mehr als der moralische Appell, einander zu vergeben, so wie wir im Vaterunser beten: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern." Dann ist das die letzte und einzige Möglichkeit mich selbst anzunehmen, gerade mit allem, was ich mir nicht selbst verzeihen kann. Das ist nicht leicht. Aber es hilft, mir bewusst zu machen, dass Gott mich so liebt, wie ich bin. Und wenn ich diese Gewissheit aushalte, dass Gott mich bis in die dunkelsten Winkel meiner Seele hinein liebt, ist der wichtigste Schritt bereits getan, mich annehmen zu können.


Am nächsten Morgen ging ich noch im St. Patrick's Cathedral zur Messe und was mit "La clemenza di Tito" begann fand in der Predigt von Kardinal Egan seine Forstsetzung. Auch er wählte das Thema Erlösung und brachte es meiner Erinnerung nach so auf den Punkt: "Don't make a drama about sin, make a drama about salvation." (Mach kein Aufheben um deine Sünden sondern um deine Erlösung.)

Josef P.