"...sahst Du mich an."

Ich will Euch auch was erzählen - von meinen Erlebnissen. Schon lange. Seit ich versuche über religiöse Erfahrung zu schreiben, verstehe ich, wieso sich Spiritualität so häufig in Kunstwerken ausdrückt: Weil glauben ganz einfach ist, darüber sprechen aber nicht immer leicht fällt. Deshalb mache ich heute eine Anleihe bei Ernesto Cardenal. Er hat ein Gedicht verfasst ("Ich löschte das Licht, um den Schnee zu sehen..."), dessen Form ich mit meinen eigenen Erfahrungen während einer Exerzitienwoche fülle: Gott begegnen ist ganz einfach.

Ich setzte mich um zu meditieren und sah das Licht der Kerze.
Doch dann sah ich, dass die Flamme der Kerze nur ein Lichtschein ist, und durch dieses Licht sahst Du mich an.

Ich versuchte zu meditieren und hörte den Lärm der Baustelle und das Rauschen des Heizkörpers.
Doch dann hörte ich, dass alle diese Geräusche auch Klänge sind, und durch diese Klänge sprachst Du mich an.

Ich konzentrierte mich auf meinen Atem und spürte, wie die Luft durch meinen Körper ein- und ausströmt.
Und da spürte ich, dass dieser Strom Dein Lebensatem ist, und durch diesen Atem bläst Du Dein Leben in meine Seele.

Ich reichte die Schale weiter, die mit dem Brot, das Du selbst bist, und berührte die Hand eines Menschen.
Dabei fühlte ich, dass das Ertasten von Nähe, Wärme und Brot wieder nur Berührungen sind, und in diesen Berührungen rührtest Du mich an.

Ich salbte die Hände einer Frau, die mir vorher das Gleiche getan hat.
Und ich lernte, dass in der Zärtlichkeit von Geben und Nehmen die Gemeinschaft entsteht, deren Mitte Du selber bist.


Martina

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